Abschlussarbeit

von Martina Albert

im Rahmen der Weiterbildung Heimtierethologie / Tierpsychologie und Verhaltenstherapiebei Dr. Dennis C. Turner, I.E.T.,Institut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie, Schweiz

Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte                                                            

Fragestellung :

In wie weit beeinflussen Körperhaltung und Stimmvarietäten des Menschen die Gehorsamsausbildung von Hunden ?

 

Zielsetzung :

Lässt sich in Versuchsreihen mit unterschiedlichen Hunden ( in Bezug auf Rasse, Alter, Geschlecht ) eine Gemeinsamkeit in Lernfreudigkeit und Lernerfolg feststellen, die in kausalem Zusammenhang mit der Art der Befehlsgebung stehen könnte ?

 

Wissensstand :

Nach heutigem Wissen funktioniert das Gehör eines Hundes sensibler als das menschliche, so hört er z.B. ein Geräusch in einer vier Mal größeren Entfernung ( Fogle, 1996 ). Außerdem visualisieren Hunde sich bewegende Objekte besser als unbewegte Objekte ( Fogle, 1994 ). Hunde kommunizieren primär über Mimik und Körpersignale miteinander, Lautäußerungen werden (häufig nur) begleitend oder verstärkend eingesetzt ( Hallgren, 1986 ; Feddersen-Petersen, 1989 und 1995 ).  In vielen Bereichen erfolgreicher Hundeausbildung, z.B. von Rettungshunden, befürwortet man den Einsatz von Sichtzeichen deshalb als "die natürlichere Art der Kommunikation" ( Feltmann-v. Schroeder, 1993 ) In den Prüfungsanforderungen des größten deutschen Hundeverbandes zum Begleithund oder dem Team-Test für Familien - Begleithunde werden Körperhilfen jedoch mit Punktabzug "bestraft", im Hundesport wird bei Turnieren ebenfalls jede Körperhilfe als unzulässige Beeinflussung des Tieres angesehen ( Prüfungsordnung des Vereines für das Deutsche Hundewesen, VDH, 1997 )

 

Vorgehen :

Anhand von Beobachtungsdaten, die ich während des Fortgeschrittenen - Einzelunterrichts in meiner Hundeschule erhebe, möchte ich herausfinden, ob und wie sich Hunde durch Körpersignale und akustische Variablen des Menschen in der Qualität der Ausführung eines Kommandos beeinflussen lassen.

 

Voraussetzung:

Alle Hunde beherrschen die relevanten Übungen bereits zuverlässig ( d.h., die Reaktion auf einen Befehl erfolgt in der Regel nach spätestens 6 Sekunden; Hunde, die dieses Kriterium nicht erfüllen nehmen nicht an der Studie teil ) und befolgen die Hör- und Sichtzeichen auch unabhängig davon, ob sie einzeln oder beide zugleich gegeben werden.

 

Methoden :

Mensch und Hund stehen sich in einem Abstand von 3 m bei der Übung "Down" , bzw. in einer Entfernung von 20 m bei der Übung "Hierher" frontal gegenüber. 

Jedes Kommando soll höchstens ein Mal wiederholt werden.

 

Definition der in Frage kommenden Befehle :

 

1. Hörzeichen : "Down"

 

Sichtzeichen : Die rechte Hand des Hundeführers bewegt sich vor dem Körper in waagerecht gehaltener Position mindestens 20 cm abwärts und verharrt dort.

 

Erwartete Reaktion des Hundes : Niederlegen in "Sphinx-Stellung"

 

2. Hörzeichen : "Hierher"

 

Sichtzeichen : Die sich mit allen Fingerspitzen berührende und über Kopfhöhe erhobene rechte Hand des Hundeführers wird in einer fließenden Abwärtsbewegung vor die Brust gezogen und verweilt dort.

 

Erwartete Reaktion des Hundes : Herankommen bis auf 1 Meter Abstand zum Hundeführer. Auf das "Vorsitzen" wurde keinen Wert gelegt.

 

Definition der Übungssituationen :

Jeweils für beide Übungsbefehle getrennt werden in der ersten Versuchsreihe die Hörzeichen in Klangfarbe, Tonhöhe und Lautstärke variiert, gleichzeitig werden die Sichtzeichen wie gewohnt gegeben.

 

a.) Die Hörzeichen werden hart, laut und herrisch gesprochen.

 

b.) Die Hörzeichen werden weich und hell moduliert, sie klingen freundlich und lockend.

In der zweiten Versuchsreihe werden die Sichtzeichen komplett unterlassen. Der Hundeführer steht betont aufrecht und starr und hält zudem einen unveränderlich festen Augenkontakt mit dem Tier.

 

a.) Die Hörzeichen werden hart, laut und herrisch gesprochen.

 

b.) Die Hörzeichen werden weich und hell moduliert, sie klingen freundlich und lockend.

 

Jeder Hund durchläuft die Testreihe nur einmal, um eine Gewöhnung des Tieres an die Übung ausschließen zu können.

 

Um verwertbare Daten zu bekommen, fülle ich bei jeder Übungseinheit und für jeden Hund einzeln ein Standard- Beobachtungsprotokoll aus.

 

Die Reaktionsdauer auf den Befehl wird zur besseren Definition mit der Stoppuhr gemessen, danach ergeben sich folgende Einteilungen:

 

Der Hund reagiert

  • schnell ( max. 3 Sek. ), 
  • zögerlich ( max. 5 Sek. ), 
  • langsam ( max. 8 Sek. ) oder 
  • gar nicht ( 9 Sek. oder länger ).

Als Beschwichtigungssignale sind in dieser Studie abgewandter Blick und / oder Kopf, Züngeln, Pföteln, Gähnen, die Annäherung in Schlangenlinien, Schnüffeln und / oder Stoppen während der Annäherung, sich entziehen, Urinieren, Koten und (als Sammelbegriff) andere Übersprungshandlungen, die während einer Reaktion auf das gegebene Kommando erfolgen, definiert.

 

Datenmaterial :

Für diese Studie wurden im Laufe eines Jahres 62 Hunde getestet, 34 Rüden und 28 Hündinnen. Es waren Vertreter von 39 eigenständigen Rassen und 14 Mischlinge dabei. 

 

Das Kriterium "Hundeplatzerfahrung", im Folgenden Hp genannt, (d.h. die Hunde haben bereits eine Begleithund-Prüfung nach den Regeln des VDH abgelegt oder sind über einen Zeitraum von 5 Monaten und mehr daraufhin gearbeitet worden) erfüllten zufällig genau die Hälfte aller Teilnehmer, nämlich 19 Rüden und 12 Hündinnen.

 

Ergebnisse : 

Die absolute Mehrheit aller Hunde reagierte bei freundlicher Vokalisation beider Kommandi wesentlich schneller und bereitwilliger.

 

Ebenfalls reagierte die Mehrheit der Hunde (84,7 %) bereits bei der ersten von zwei möglichen Aufforderungen, wenn die Kommandi freundlich gegeben wurden.

Während bei herrischer Tonlage selbst bei doppelter Aufforderung 44 Hunde ihre Mitarbeit total verweigern, gab es diese Reaktion bei freundlicher Kommandigebung plus dem entsprechenden Sichtzeichen, im Folgenden Sz genannt, nicht ein einziges Mal.

Da eine zögerliche Reaktion gleichzusetzen ist mit einer Verunsicherung des Hundes, legte ich im weiteren mein Augenmerk auf die Auswertung der Daten über die Körperhaltung (auch Ohren-, Kopf-, und Schwanzhaltung) und die protokollierten Beschwichtigungsgesten (im Folgenden Bg).

 

Das Kommando "Hierher" in herrischem Ton ohne Sz befolgte keiner der getesteten Hunde in aufgerichteter Körper-, Ohren- oder Schwanzhaltung. Über die Hälfte der Tiere, nämlich 32, zeigten eine geduckte Körperhaltung mit angelegten Ohren und tief gehaltenem Schwanz.

 

Beim freundlichen "Hierher" in Verbindung mit dem Sz kamen 53 Hunde in aufrechter und kein einziger in geduckter Körperhaltung.

 

Die Rute eines Hundes hob sich in keinem Fall über "neutral", sobald das Hörzeichen herrisch gegeben wurde, oft wurde sie jedoch in den entsprechende Testsituationen eingeklemmt getragen, was wiederum Rückschlüsse auf den Gemütszustand des Hundes zulässt.

 

Beschwichtigungssignale sind ein Teil hundlicher Kommunikation und werden in Fällen von Verunsicherung und/oder Überforderung gezeigt , sind also Anzeichen für einen bestehenden inneren Konflikt des Tieres.

Die Summe aller registrierten Beschwichtigungsgesten (Bg) betrug 878.

Bei Kommandi im herrischen Tonfall wurden insgesamt 688 Bg protokolliert.

Dem gegenüber stehen 190 Bg , die bei freundlichem Tonfall beobachtet werden konnten.

 

Diese Zahl ließ sich nochmals auf lediglich 46 Bg reduzieren, indem einer freundlichen Aufforderung das entsprechenden Sz hinzugefügt wurde.

 

Bei der Übung "Down" wurde die durchschnittliche Zeitspanne von der Befehlsgebung bis zum ersten Bg in Sekunden gemessen. Bei herrischem Kommandoton beschwichtigten die Testhunde durchschnittlich doppelt so schnell, als sie es bei freundlichem Ton taten.

 

Interpretation & Fazit

Obwohl die Zahl der am Test beteiligten Hunde ( 62 ) recht klein ist (und außerdem die gesammelten Daten hier nicht in Bezug zum Geschlecht, zum Alter, sozialem Rang, den bisherigen Erfahrungen aus Aufzucht, Prägung, Haltung ...., die Reaktionsfähigkeit herabsetzenden Krankheiten und noch weiteren denkbaren Faktoren, die die Ergebnisse auch beeinflussen könnten, gesetzt wurden), wage ich zu behaupten, dass diese Forschungsarbeit einem Menschen, der alle fünf Sinne beisammen hat und seinen Hund als Partner respektiert, eines ganz deutlich aufzeigt :

 

Für die Optimierung der Lernfreude und der Qualitätsverbesserung in der Befolgung von Kommandi ist es absolut überflüssig, ja sogar kontraproduktiv , einen (Familien-) Begleithund im noch immer praktizierten, eher "militärischen Stil" erziehen zu wollen (laut bestehenden Prüfungsordnungen zu müssen....... Der Einwand, dass man im Training ruhig mit Körperhilfen arbeiten und lediglich während Prüfungen auf Sichtzeichen und leise Stimme verzichten muss, ist für mich nicht nachvollziehbar....) und damit keinerlei Rücksicht auf die Eigen- und Besonderheiten hundlicher Sprache zu nehmen.

 

Wenn z.B. der verbal geäußerte Wunsch, der Hund möge zum Halter kommen, im totalen Gegensatz zu dessen Körpersprache steht (steif stehen zu bleiben und ausdauernd Blickkontakt zu suchen ist unter Hunden als eindeutige Drohgebärde oder zu mindestens Provokation zu werten), dann braucht man sich doch nicht zu wundern, wenn das Tier Konfliktverhalten zeigt, verunsichert wird und deshalb nur gebremst freudig und/oder schnell - wenn überhaupt - dieser Aufforderung nachkommt.

 

Worin liegt der Sinn, Kommandi abgehackt und lautstark zu brüllen, wenn unser Hund doch soviel besser hört als wir und wir uns im "normalen" Leben, also außerhalb eines Hundeplatzes, (hoffentlich) auch ohne diese Schreierei mit ihm verständigen können ?

 

Diese Untersuchung, so klein sie auch ist, liefert den Beweis, daß man bessere Ergebnisse sowohl im Lernerfolg als auch in der Lernfreude erzielen kann, wenn man seinem Hund durch die Übereinstimmung von freundlich - auffordernder akustischer Ansprache in Verbindung mit nicht bedrohlich wirkender Körpersprache klare und eindeutige Signale vermittelt.

 

Das Zusammenleben von Mensch und Hund wäre viel angenehmer und befriedigender für beide Seiten, wenn man die kommunikativen Missverständnisse, die letztendlich nur zu einem Vertrauensverlust beitragen, abbauen und nicht noch fördern würde.

 

Die Entschlüsselung der Hundesprache ist schließlich keine völlig neue Erkenntnis ........

 

Vielleicht kann ja diese Studie eines Tages dazu beitragen, dass verhaltenskundliche Forschungsergebnisse von den für Prüfungsordnungen zuständigen Institutionen endlich berücksichtigt und umgesetzt werden ?