R(H)undherum - sicher & gelassen … 

Der letzte Band dieser Reihe unterstützt Sie dabei, erwünschtes Verhalten durch adäquate Beschäftigung und Auslastung Ihres Hundes zu formen, so dass das Zusammenleben mit ihm die meiste Zeite eine Quelle der Freude und nicht ein ständiger Stein des Anstosses wird. Darüber hinaus werden mögliche Ursachen für bestehende Probleme im Zusammenleben erforscht und Lösungsstrategien zur Verbesserung der Situation praxisnah aufgezeigt.

 

Aus dem Inhalt:

  • Artgerechte Beschäftigung um Probleme zu vermeiden / zu minimieren
  • Hundeerziehung leicht gemacht
  • Der ängstliche Hund
  • Aggressionsverhalten
  • Der "Leinen-Rambo"
  • Verhalten beeinflussen
  • Die vierbeinige Nervensäge
  • Mein Hund hat Probleme mit Besuchern ...
  • Mein Hund jagd alles, was sich bewegt ...
  • Das "Müllschlucker-Syndrom"
  • Probleme beim Autofahren
  • Gibt's da nicht was von Ratiopharm!"
  • Sinnvolle Strategien zur Stressreduktion
  • Fehlerquelle Mensch

Leseprobe:

Problemverhalten von Hunden

 

Angenommene Eigenschaften eines Hundes – oder – das «Lassie-Syndrom»

 

Fernsehwerbung, Spielfilme und Magazine gaukeln uns Bilder von Hunden vor, die nicht nur alles können, wissen und erahnen, sondern die vor allem ihren Menschen mit hingebungsvoller, uneigennütziger Liebe begegnen, alles für sie tun wollen, ihnen stets helfen und dienen und im Umgang schlichtweg perfekt sind. Sie können darüber hinaus selbstverständlich «gut» von «böse» und «richtig» von «falsch» unterscheiden und handeln oft moralischer als mancher Mensch.

 

Doch die Realität, das genetische «Programm», sieht anders aus: Hunde handeln in der Regel so, dass ihnen Unangenehmes fern bleibt und sich Angenehmes möglichst oft wiederholt. Sie sind auf ihren eigenen Vorteil und Nutzen bedacht und lernen zuverlässig, was «sicher» und was «gefährlich» ist.

 

Viele der so genannten Probleme bis hin zu den «Beißunfällen» basieren auf einer falschen Vorstellung von einem allzeit treuen und selbstlosen Freund, der grundsätzlich jeden liebt, stets fröhlich ist und Kinder generell in sein Herz schließt 

– das «Lassie-Syndrom» hat zugeschlagen…

 

Was ist ein Problem?

Ein Verhalten des Hundes, das sich störend auf die Befindlichkeit des Besitzers, das Wohlergehen von anderen Menschen und Tieren auswirkt oder die Gesundheit des Hundes selbst gefährdet, bezeichnet man gemeinhin als Problemverhalten.

Es ist also in den meisten Fällen ein «zu wenig», ein «zu viel» oder ein in der Situation unerwünschtes und somit «falsches» Verhalten aus Sicht des Menschen.

 

Die «Top Ten» der Hundeprobleme

in unseren tierpsychologischen Praxen, die wir nun auch in diesem Buch näher beleuchten möchten, sind der Häufigkeit nach:

 

  • «Aggressionsverhalten» gegenüber Menschen
  • Übertriebene Ängstlichkeit
  • Unverträglichkeit mit Artgenossen
  • Mangelhafter Gehorsam
  • Hyperaktivität
  • Unkontrollierbarer Jagdtrieb
  • Streunen
  • Kläffen bis zum «Umfallen»
  • Das «Müllschlucker-Syndrom»
  • Probleme beim Autofahren 

Oftmals kommen auch verzweifelte Hundebesitzer in unsere Sprechstunden, die sich sehr über eine «Unsitte» ihres Vierbeiners beklagen, welche sich bei näherer Betrachtung jedoch als absolut natürlich herausstellt oder als normal für die jeweilige Rasse gilt.

 

Das störende Verhalten passt also lediglich nicht in das Umfeld des Hundes oder wird von Menschen einfach «fehlinterpretiert».

Außerdem erfüllen viele Hunde nur deshalb nicht die in sie gesetzten Erwartungen, weil Hundehalter sich über ihre zu «hoch gesteckten» Ansprüche an den Vierbeiner selbst nicht im Klaren sind.

 

Ein relativ typisches Erstgespräch in der Hundeschule oder Tierpsychologischen Praxis klingt etwa folgendermaßen:

 

Hundeschule:   «Guten Tag Familie X, wie können wir Ihnen helfen?»

Herr/Frau X:     «Wir haben ein Problem mit unserem Hund, nämlich ... »

Hundeschule:   «Was möchten Sie denn, das Ihr Hund in dieser Situation tut?»

Herr/Frau X:     «Er soll dies oder jenes ( ... ) einfach unterlassen!»

Hundeschule:   «Das haben wir schon verstanden, wie aber soll er sich stattdessen verhalten?»

Herr/Frau X:     ... Pause ... ??? (Ratlosigkeit oder Unverständnis breitet sich aus ...)

Hundeschule:   «Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie möchten Ihrem Partner beibringen, Wiener Walzer zu tanzen, haben aber selbst nicht die leiseste Ahnung von der Sache, wissen vielleicht gerade mal, dass «Walzer» ein Tanz ist. Glauben Sie, Sie beide werden ein harmonisches Bild abgeben?

 

An diesem Beispiel wird vielleicht etwas klarer, worauf wir hinauswollen: 

Solange man sich nur darauf konzentriert, was ein Hund alles «falsch» macht, wird man es nicht schaffen, ihn das «Richtige» zu lehren.

 

Nun wird den meisten klar, was «Hundeschule» bei uns eigentlich bedeutet: Hier lernen Menschen viel über sich selbst, über ihre Hunde und durchaus auch von ihren Hunden.

 

Ein klassisches Beispiel für das «Aufschaukeln» eines negativen Verhaltensmusters

 

ist die Unart mancher Vierbeiner, an der Leine ein großes Spektakel zu veranstalten, wenn sie einem Artgenossen begegnen. Ohne Leine dagegen haben sie nicht halb so viele Probleme mit derselben Situation.

Wie kommt das?

Der Hauptgrund dafür ist sicherlich die Leine, die den Hund daran hindert, eine für ihn geeignete Distanz zum Gegenüber zu wählen. Das allein macht die ganze Situation für ihn schon unangenehmer. Er ist beunruhigt und verunsichert, ganz besonders wenn der Mensch am anderen Ende der Leine seine «Not» nicht erkennt oder falsch deutet.

Die Grafik «Eskalationsspirale» auf der folgenden Seite soll Ihnen die Reaktionsmöglichkeiten des Hundes veranschaulichen.

 

Die Eskalationsspirale (im Original kommt hier eine Grafik)

 

Je höher der Hund in dieser Spirale aufsteigt, desto geringer werden seine Möglichkeiten, gelassen zu reagieren. Wenn sich jetzt noch die Leine strafft oder sogar strafend an ihr geruckt wird, bedeutet das für den Hund eine zusätzliche Bedrohung. Es aktiviert seinen Selbsterhaltungstrieb und steigert damit sein aggressives Verhalten enorm. Der Hund reagiert immer heftiger, bis schließlich wieder genügend Abstand zwischen ihm und dem anderen ist. Zu guter Letzt glaubt der Hund wahrscheinlich auch noch, dass er die ganze Aufregung nur «überlebt» hat, weil er ein derartiges Theater gemacht hat.

 

Nach mehreren solchen unangenehmen Erfahrungen lernt das Tier sehr schnell, dass die unteren Windungen der Spirale ihn nicht aus der Situation befreien, also Energieverschwendung sind. Daraufhin wird er in der nächsten vergleichbaren Situation mit seiner Reaktion wahrscheinlich gleich ein paar Ebenen höher einsteigen.

Das ganze Verhalten verfestigt sich durch wiederholtes «Lernen am Erfolg» und ist dann recht bald ein typischer Fall von «erlernter Aggression»... 

 

Die gute Nachricht ist jedoch, dass der Hund im Prinzip alles, was er jemals gelernt hat, auch wieder «verlernen» kann.

 

Für das erwähnte Beispiel mit der Leinenaggression kämen ein gezieltes Distanztraining, eine Gewöhnung oder eine systematische Desensibilisierung als Problemlöser am ehesten in Frage. Dazu jedoch später mehr in den entsprechenden Kapiteln.

 

Verhalten formen – Schwierigkeiten minimieren, 256 Seiten,

€ 24,80,  ISBN: 978-3-7347-3852-4